Therapie

Therapie-Möglichkeiten

DAS FAMILIEN-MOBILE

Eine Besonderheit meiner Vorträge und Seminare wie meiner Auftritte im Fernsehen ist die Vorführung des MOBILE. Mit diesem bunten beweglichen Modell kann man soziale Beziehungen und Interaktionen – in Familien wie in anderen sozialen Systemen wie Firmen, Kliniken oder Behörden – hervorragend und für jeden plausibel darstellen.
Das Wichtigste am Mobile ist neben dem Zusammen-Hang und der Beweglichkeit – daher der Name – das GLEICHGEWICHT. Dieses ist ein tief in uns verankertes biologisches Prinzip. Sobald das Gleichgewicht gestört ist, versuchen wir mit allen Mitteln, es wiederherzustellen. Nehmen wir das Beispiel einer Familie: Der Vater hat schon immer gerne und regelmäßig getrunken. Nun ist er frustriert in seiner Ehe, wo sexuell nicht mehr viel läuft. Die Karriere ist begrenzt bzw. beendet, die Arbeitsbedingungen werden immer unerträglicher. Dazu kommt dann noch eine Sportverletzung, die ihn daran hindert, weiter Fußball oder Tennis zu spielen. Er trinkt noch mehr als früher, ist emotional immer instabiler und unberechenbarer, aggressiv und launisch.
Als Symbol hänge ich ihm einen Maßkrug an: Was verändert sich? Die sprachliche Beschreibung ist bis ins Detail eine Spiegelung der Abläufe: Ihn, den Vater (oder im Betrieb den Vorgesetzten) zieht es runter, ebenso wie die Kinder, die an ihm hängen. Die Mutter (Ehefrau) katapultiert es nach oben, sie ist dort allein mit den ebenfalls irritierten Kindern…
Wo hängt der Vater/Ehemann? Auf der Ebene der Kinder. Dort gehört er natürlich nicht hin. Die Kinder sind ratlos.
(Ganz nebenbei bemerkt ist die Position des Ehemanns auf der Ebene der Kinder auch nicht gerade erotisch anregend… Partner werden nur noch als weiteres Kind erlebt, nicht als Erwachsene.)

EIN NEUES GLEICHGEWICHT MUSS HER

Nun fangen alle an, sich um einen Ausgleich, um ein neues Gleichgewicht zu bemühen. Bei praktisch allen Zielgruppen wird zuerst und fast allein bei der Partnerin/Ehefrau die Möglichkeit dafür gesucht: Sie könnte ja mittrinken! Also hänge ich auch ihr einen Maßkrug an… Sie könnte ihren Ärger, ihre Trauer, ihre Angst auch in sich hinein-fressen und an Gewicht zunehmen… Praktisch immer sind die Kinder an den Ausgleichs-Bemühungen beteiligt. Sie werden oft, wie wir sagen, zu Index-Patienten, die mit ihren Symptomen auf die Probleme der Situation hinweisen. Anzeichen können Essstörungen sein, überschießende Aggressionen im Kindergarten oder in der Schule. Leistungsabfall, nachlassende Interessen, eigene Suchttendenzen mit Substanzen wie Alkohol und Süßigkeiten oder mit dem Fernsehen oder Internet (Rollenspiele, Pornos, Glücksspiel).
Außerordentlich wichtig bei allen Coabhängigen in diesem System das ganze Spektrum psychosomatischer Störungen! (Dazu gibt es übrigens nach wie vor keinerlei zuverlässige Forschung.) Also: Depressive Verstimmungen, Bauch-, Kopf- und Rückenschmerzen, die nicht organisch erklärt werden können usw. usw.

EIN NEUES – KRANKHAFTES – GLEICHGEWICHT

Irgendwann ist also ein neues Gleichgewicht erreicht – zu Lasten aller. Aber immerhin ist der Ausgleich da, der auch eine gewisse Sicherheit bietet! Man weiß in etwa, wo es lang geht, was man erwarten und nicht erwarten kann… Traurig genug.

STÖRUNG

Viele Coabhängige und viele Süchtige meinen, es sei alles in Ordnung, sobald das Gift aus dem Mobile entfernt wurde. Nehmen wir z.B. an, der Suchtkranke fällt – vergleichsweise harmlos – betrunken vom Rad und bricht sich das Schlüsselbein. Er kommt in die Klinik und wird dort zwangs-entgiftet…
Also entfernen wir den Maßkrug aus dem vorherigen pathologischen Gleichgewicht. Was passiert? Wir haben wiederum ein Un-Gleichgewicht! Jetzt zieht es umgekehrt die Mutter/Ehefrau nach unten, der Vater/Ehemann geht freudig nach oben… Seine Leberwerte werden schon wieder viel besser, auch seine Stimmung. Jetzt müssen endlich mal die Kinder erzogen werden. So viel Einfluß und Macht soll seine Frau nie wieder haben. Diese ist nun gar nicht einverstanden. Die einfachste Methode, das Gleichgewicht wieder herzustellen: Der Alkohol/das alte Problem kommt wieder ins Spiel…
Was wird deutlich? Die Auseinandersetzung um die Beziehungen beginnt erst richtig nach der Entgiftung! Ein neues gesundes Gleichgewicht muss hart erarbeitet werden.

ÜBERTRAGBARKEIT

Es ist leicht einzusehen, dass das Modell des MOBILE auf viele andere Probleme übertragbar ist. Auch da dreht sich oft allzu viel um den Träger des Hauptproblems, z.B. einer Behinderung, einer Krankheit. Die anderen sind bemüht zu helfen, einen Ausgleich herzustellen. Aber es darf eben nicht allzu sehr zu ihren Lasten gehen. Jeder im Mobile hat ein Anrecht auf sein eigens Leben, ganz jenseits des Problems in der Familie!
Die Abläufe habe ich in meinen Büchern ausführlicher dargestellt. Hier ging es mir darum, ein Grundverständnis zu vermitteln.
Schwabing, im Mai 2008
Dr.Helmut Kolitzus